Wohnungsbau-Boom ist auch Ausbau-Boom
Der anhaltende Wohnungsbau-Boom in Deutschland ist auch ein Ausbau-Boom: Die Zahl der genehmigten Wohnungen, die durch Um- und Ausbaumaßnahmen entstehen, erreichte im vergangenen Jahr mit 52.300 den höchsten Wert seit fast 20 Jahren. Der dadurch entstehende Wohnraum leistet sicherlich einen wichtigen Beitrag, um die angespannte Wohnungsmarktlage in vielen Städten perspektivisch zu verbessern. Das „Enger-Zusammenrücken“ in bereits bestehenden Gebäuden ist aber vor allem auch ein Zeichen dafür, dass der dringend benötigte Neubau nicht schnell genug vorankommt.
Die Nutzung vorhandener Reserven im Wohnungsbestand, sei es ein ausbaubares Dachgeschoss, ein Anbau im Hinterhof, die Aufstockung eines Mehrfamilienhauses oder auch die genehmigungspflichtige Wohnungsteilung, trägt seit jeher vor allem in den Ballungsräumen dazu bei, dass auftretende Knappheiten auf den Wohnungsmärkten abgemildert werden. Eine vergleichbare Situation wie jetzt herrschte nach der Wiedervereinigung, als ebenfalls ein Ausbau-Boom zu beobachten war: in Westdeutschland als willkommener Weg zur Linderung der Wohnungsengpässe im Gefolge der damaligen Zuwanderung (insbesondere aus Ostdeutschland) und wirtschaftlicher Prosperität, etwas verzögert auch in den neuen Bundesländern als Ansatzpunkt für gutes Wohnen in gewachsenen Quartieren. Im Spitzenjahr 1994 wurden allein in Westdeutschland über 61.000 neue Einheiten genehmigt. Maßgeblich beeinflusst war diese Entwicklung seinerzeit durch befristete staatliche Anreize zur Schaffung neuer Mietwohnungen im Gebäudebestand, sowohl über steuerliche Vergünstigungen als auch über zinsverbilligte Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Kapitalanleger treiben die Preise
Die Parallelen zum aktuellen Ausbau-Boom sind ebenso offenkundig wie die Unterschiede: Während damals wie heute Zuwanderung und eine gute Konjunktur treibende Kräfte für steigende Genehmigungszahlen sind, bestimmen aktuell, anders als nach der Wiedervereinigung, extrem niedrige Kapitalmarktzinsen (künstlich herbeigeführt durch die Geldpolitik der EZB) in hohem Maße die Rahmenbedingungen auf dem Immobilienmarkt. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass heute – ohne jegliche staatliche Anreize – inländisches und ausländisches Kapital in den als sicher geltenden Hafen „deutscher Immobilienmarkt“ fließt. Mit dem Ergebnis, dass Mieten und Kaufpreise kräftig steigen, vor allem in den Metropolregionen.
Bedarf für „echten“ Neubau
Im aktuellen Aufschwung hat der Anteil der durch Um- und Ausbaumaßnahmen entstehenden Wohnungen an der gesamten Bautätigkeit stetig zugenommen. Im Jahr 2010, dem Beginn des Ausbaubooms, entfielen auf Aus- und Umbauten rund 10 Prozent des Neubaus. Im vergangenen Jahr kletterte der Anteil auf 14 Prozent. Die – gemessen an der gesamten Bautätigkeit dennoch relativ niedrigen Anteile – verdeutlichen, dass der hohe Neubaubedarf in Deutschland (gebraucht werden nach Schätzungen jährlich zwischen 350.000 und 400.000 Wohnungen pro Jahr) nicht zu schaffen ist ohne „echten“ Neubau. Dafür müssen neue Bauflächen erschlossen werden, was offenkundig aktuell nicht oder nicht schnell genug geschieht. „Neue Wohnungen ohne neues Bauland“ – das war stets ein politisch verlockendes, am Ende aber falsches Motto, nach der Wiedervereinigung genauso wie heute.
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