Mietwohnungsbau verdrängt Selbstnutzer
Mit den heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baugenehmigungszahlen für das erste Quartal 2017 wird die fachliche und politische Debatte darüber beginnen, ob schon genug für mehr Neubau in Deutschland getan wird. Denn die Zahlen lassen vermuten, dass dem Wohnungsbauboom langsam die Luft ausgeht und das von allen Experten für notwendig erachtete Neubauniveau von jährlich zwischen 350.000 und 400.000 Wohnungen nicht erreicht wird. Sorge bereitet mir daneben noch etwas anderes: Nämlich die Tatsache, dass der Bau von Einfamilienhäusern und selbstgenutzten Eigentumswohnungen mehr und mehr verdrängt wird durch den Boom beim Bau von reinen Mietwohnungen und vermieteten Eigentumswohnungen.
Auf diese Entwicklungen hat dieser Blog schon Anfang des Jahres aufmerksam gemacht. Nur noch 52 % des Neubaus entfielen Ende 2016 auf Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und selbstgenutzten Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Genaue Angaben über die Selbstnutzerquote in Mehrfamilienhäusern gibt die Statistik zwar nicht her. Wir haben aber einmal vorsichtig auf Grundlage einer Zensus-Erhebung aus dem Jahr 2011 zu diesem Thema unterstellt, dass 40 Prozent der Neubauwohnungen für Selbstnutzer vorgesehen sind. Tatsächlich dürfte aufgrund der aktuell hohen Nachfrage nach Wohnungen als Kapitalanlage der Anteil der Selbstnutzer in neuen Eigentumswohnungen spürbar unter die 40-Prozent-Marke gesunken, die Vermietungsquote entsprechend auf über 60 Prozent gestiegen sein. Nimmt man hinzu, dass auch ein gewisser Teil der genehmigten Ein- und Zweifamilienhäuser vermietet wird (vor allem Reihenhäuser und Einliegerwohnungen in Zweifamilienhäusern), dürfte der Bau von Mietwohnungen den Bau von selbstgenutzten Wohnungen bereits im letzten Jahr überflügelt haben.
Nach den heute veröffentlichten Genehmigungszahlen für das erste Quartal 2017 ist klar, dass sich diese Entwicklung noch verstärken wird. Während Genehmigungen von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern noch einmal um 5,5 % zulegen konnten (und mit 37.600 Einheiten den höchsten Wert in einem ersten Quartal seit dem Jahr 1997 erreichte), sanken die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um 15,3 %, die für Zweifamilienhäusern um 7,2 %.
Wohneigentumsquote in Deutschland zu niedrig
Warum ist das eine Nachricht? Ganz einfach: Die Bundesrepublik ist in Sachen Wohneigentumsquote Schlusslicht in Europa. Und weite Teile der Politik haben sich auf die Fahnen geschrieben dies zu ändern, nicht zuletzt aufgrund der hohen Bedeutung, die das selbstgenutzte Wohneigentum für die private Vermögensbildung und Altersvorsorge hat. Die Quote zu verbessern geht nur über zwei Wege: über den Neubau (hier sind wir gerade dabei die Quote zu verschlechtern) oder über die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (hier tut sich traditionell nicht viel).
Was ist zu tun? Mehr denn je sind vor allem die Städte dazu aufgerufen, bei der (richtigen und wichtigen) Ausweitung des Wohnungsangebots nicht nur auf den Bau von Mietwohnungen zu setzen, sondern die Selbstnutzer „mitzunehmen“ und gerade auch für sie attraktive Angebote zu schaffen. Und die Politik in Bund und Ländern ist gefordert darauf zu achten, dass potenzielle Selbstnutzer in der aktuellen Wohnungsmarktsituation nicht an den Rand gedrängt werden. Die Flucht der Kapitalanleger ins „Betongold“ im als sicher geltenden Hafen „deutscher Immobilienmarkt“ bringt Selbstnutzer in Bedrängnis. Trotz der derzeit günstigen Finanzierungsbedingungen können Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen in den Städten oft kein Wohneigentum mehr bilden, weil die Preise dort zu stark gestiegen sind, insbesondere aufgrund des Engagements der Kapitalanleger. Selbstnutzer müssen deshalb, wenn sie in der Stadt bleiben wollen, auf eine meist teure Mietwohnung ausweichen oder ins Umland ziehen.
Die politische Debatte, wie die Wohneigentumsbildung gerade in den Städten gestärkt werden kann, ist spätestens jetzt eröffnet.
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