EZB-Nullzinspolitik und die Folgen für (potenzielle) Wohneigentümer

Veröffentlicht am 01. März 2017 von Axel Guthmann

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Zins durch ihre umstrittenen geldpolitischen Maßnahmen soweit nach unten gedrückt, dass Geld de facto nichts mehr kostet. Profiteur dieser Entwicklung ist der deutsche Staat, der quasi „umsonst“ Schulden aufnehmen und ohne größere Kraftanstrengung ausgeglichene Haushalte präsentieren kann. Und wie sieht die Rechnung für den Bürger aus? Für Mieter, die gerne Eigentum erwerben wollen, oder für Haushalte, die bereits Eigentümer sind, aber noch Schulden abzutragen haben, oder für bereits entschuldete Eigentümer?

Gruppe 1: Der entschuldete Wohneigentümer

Fangen wir mit der letzten Gruppe an, den entschuldeten Wohneigentümern: Wer eine Immobilie sein eigen nennen kann, ist derzeit fein raus. Nicht nur, dass er weder Miete zu zahlen noch Zins und Tilgung zu bedienen hat, er erlebt derzeit, dass man auch durch Nichtstun reicher werden oder besser gesagt, sich reicher fühlen kann. Denn die Nullzinspolitik der EZB hat dazu geführt, dass die Immobilienpreise kräftig gestiegen sind – vor allem in wirtschaftsstarken Regionen.

Mit seinem „Reichtum“ kann er allerdings nicht viel anfangen. Ihn zu Geld machen, ist selten sinnvoll, weil es an Anlagealternativen fehlt. In ein anderes, vielleicht besseres Objekt umziehen, ist zwar möglich, aber auch kein „Deal“. Denn die Häuser und Wohnungen um ihn herum sind ja ebenfalls teurer geworden; hinzu kämen Transaktionskosten. Wer in weniger attraktiven Lagen eine eigengenutzte Immobilie bewohnt und weniger (oder gar nicht) von steigenden Preisen profitiert, braucht sich also nicht zu grämen. Solange er nicht umziehen muss, lebt er genauso gut in seinen eigenen vier Wänden wie der scheinbar reichere Selbstnutzer in 1a-Lage. Was alle entschuldeten Wohneigentümer eint: Solange sie ihre Immobilie selbst bewohnen, kann es ihnen egal sein, ob die Immobilienpreise mal hoch oder (was ja auch passieren kann) mal wieder runter gehen.

Gruppe 2: Der Wohneigentümer mit Restschulden

Kommen wir zur zweiten Gruppe, den Haushalten, die zwar schon im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung leben, aber noch Schulden bedienen müssen. Auch sie befinden sich in der Regel in einer recht komfortablen Situation: Ihr Objekt ist durch die Niedrigzinsen im Wert gestiegen (je besser die Lage, desto mehr) und ihre Schulden (die im Verhältnis zum Objektwert ohnehin an Gewicht verlieren) sinken mit jeder Tilgungsrate weiter. Wer genügend finanziellen Spielraum hat, leistet sich Sondertilgungen, was bei Standardkrediten in der Regel einmal jährlich in gewissem Umfang, bei Bauspardarlehen jederzeit und unbegrenzt möglich ist.

Auch wenn eine Anschlussfinanzierung ansteht, sieht die Welt derzeit ausgesprochen rosig aus: Zwar sind die Hypothekenzinsen zuletzt etwas gestiegen, doch dürfte die Gesamtbelastung aus Zins und Tilgung deutlich unter der vorangegangenen Finanzierung liegen. Und wer sich das heutige, extrem niedrige Zinsniveau sichern will (zum Beispiel, weil er – wie ich – nicht daran glaubt, dass die Zinsen auf Dauer so niedrig bleiben können), hat dazu auch alle Möglichkeiten. Wird ein Bausparvertrag in die Finanzierung eingebunden, kann er sogar Zinssicherheit für 20 Jahre und darüber hinaus einkaufen. Was will man mehr.

Die EZB hat also sogar ein bisschen Recht, wenn sie zur Verteidigung ihrer Geldpolitik erklärt, dass auch viele Deutsche vom Kurs der Zentralbank profitieren, und insbesondere auf die günstigen Kreditkonditionen verweist. Was sie allerdings weniger betont, und das ist gerade für die Bundesrepublik problematisch, ist, dass hierzulande mit 55 Prozent die Mehrheit der Haushalte zur Miete wohnt.

Gruppe 3: Der potenzielle Wohneigentümer

Damit sind wir bei der dritten Gruppe, den potenziellen Wohneigentümern. Wer keine Immobilie besitzt, kann auch nicht von Wertsteigerungen (und seien sie auch nur vorübergehend) profitieren. Wer erkannt hat, dass es vernünftig ist, Wohneigentum zu bilden (die allermeisten Mieter wollen Wohneigentum), stellt schnell fest, dass die Rahmenbedingungen für den Bau oder Kauf unter dem Strich keineswegs günstiger geworden sind. Zwar sind die Zinsen historisch niedrig, doch sind die Immobilienpreise als Folge daraus vielerorts inzwischen so stark gestiegen, dass für Normalverdiener der Einstieg ins Wohneigentum heute oft schwerer ist als früher. Vor allem in den besseren Lagen der größeren Städte können sich nur noch Gutverdiener nach Wohneigentum umsehen. Hier bestimmen inzwischen deutsche und internationale Kapitalanleger die Preise auf den Immobilienmärkten, insbesondere im Segment der Eigentumswohnungen.

Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen müssen hingegen meist ins Umland ausweichen. Die inzwischen wieder zu beobachtende „Stadtflucht“ ist also keine wiederentdeckte „Landlust“, sondern oft nicht mehr als eine ökonomische Ausweichreaktion. Einziger Trost: Wer dort, etwas außerhalb der Zentren „sein Objekt“ findet und genügend Eigenkapital mitbringt, kann auch heute bei der Finanzierung nicht viel falsch machen, erst recht, wenn er, wie der Vertreter von Gruppe zwei, einen Bausparvertrag in die Finanzierung einbindet und sich damit die aktuell niedrigen Zinsen über sehr lange Zeiträume sichert.

Eigentlich gibt es noch eine Untergruppe von Gruppe 3, nämlich potenzielle Wohneigentümer, für die der Bau oder Kauf noch in ferner Zukunft liegt, zum Beispiel weil sie noch jung und/oder beruflich noch nicht „gesettelt“ sind. Ihnen legt die EZB-Politik mit ihrer Geldpolitik die größte Bürde auf: Sie erleben einerseits steigende Mieten, andererseits haben sie nichts von den aktuell extrem niedrigen Kreditzinsen. Und vor allem müssen sie, um später den (zu allem Überfluss auch noch gewachsenen) Eigenkapitalbedarf für eine Wohnungsbaufinanzierung zu decken, noch mehr sparen als frühere Wohneigentumserwerber. Denn einen nennenswerten Zinseszins gibt es derzeit nicht.

EZB-Politik: Zusatzlasten für künftige Wohneigentümer

Fazit: Für alle, die schon in eigenen vier Wänden leben, ob entschuldet oder nicht, wirkt sich die Nullzinspolitik der EZB derzeit im Trend positiv aus. Künftige Wohneigentümer hingegen sehen sich konfrontiert mit Zusatzlasten, denen sie nicht gänzlich ausweichen, sondern nur begegnen können durch einen Mix aus einer möglichst langen Zinsbindung und einem „Mehr“ an Eigenkapitalbildung.

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