Die Energiewende im Eigenheim: Unterstützen, aber richtig
Der Immobiliensektor, eine einzige große Baustelle – und zwar nicht nur wortwörtlich, sondern auch im übertragenen Sinn, nämlich beim Klimaschutz. Diesen Eindruck zumindest hat die Bundesumweltministerin in den vergangenen Wochen erweckt. Doch wie so oft gibt es zwei Wahrheiten. Falsch ist, dass Häuslebauer und -besitzer die größten Klimasünder sind. Richtig ist, dass die Möglichkeiten, für die Energiewende CO2 einzusparen, auch beim Wohnen noch nicht ausgereizt sind.
Am 20. September soll es in der deutschen Klimapolitik Nägel mit Köpfen geben: Dann will das sogenannte Klimakabinett seine Pläne dazu verkünden, wie Deutschland schneller als bisher CO2-Emissionen reduzieren kann. Kürzlich noch bemängelte Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die Gespräche würden sehr schleppend laufen, weil die Vorschläge aus dem Verkehrs- und dem Bauministerium auf sich warten ließen. Inzwischen ist zumindest bekannt, dass sich Horst Seehofers Haus für eine steuerliche Förderung der energetischen Sanierung einsetzt, sprich Abschreibungsmöglichkeiten für private Klimaschutzausgaben einführen möchte. Die CDU fordert außerdem eine „Abwrackprämie“ von mehreren 1.000 Euro für den Austausch von alten Ölheizungen. Doch das wird sicher noch nicht alles sein, wie ein Blick auf die Faktenlage zur Energiewende beim Wohnen zeigt:
1. Dem Gebäudesektor wurden die ambitioniertesten Reduktionsziele für Treibhausgase auferlegt
In ihrem Ende 2016 veröffentlichten „Klimaschutzplan 2050“ hat die Bundesregierung Zwischenziele zur Treibhausgasreduktion für die einzelnen Sektoren abgesteckt. Ob es klug war, „sektoral“ vorzugehen, statt ein Anreizinstrument für alle Sektoren möglichst effizient wirken zu lassen, sei hier mal dahingestellt, aber feststeht: Der Gebäudebereich wird besonders in die Pflicht genommen. Er soll seine CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber dem Basisjahr 1990 um fast 67 Prozent verringern und damit einen überproportionalen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zum Vergleich: Industrie, Verkehr und Landwirtschaft haben Reduktionsziele zwischen 51 und 36 Prozent, stärker gefordert ist auch die Energiewirtschaft, also die öffentliche Strom- und Wärmeerzeugung, die ihre Emissionen um 62 Prozent verringern soll. Die Vorgaben für den Gebäudesektor setzen an den vergleichsweise groß erscheinenden Einsparpotenzialen von Häusern an. Immerhin glaubt die Bundesregierung daran, bis 2050 einen komplett klimaneutralen Gebäudebestand erreichen zu können. Das ändert allerdings nichts daran, dass das Vorhaben ambitioniert und teuer ist.
2. Der Gebäudesektor hat in Sachen Klimaschutz schon mehr geschafft als die anderen Sektoren
Tatsächlich hat der Gebäudesektor bisher die mit Abstand größten Reduktionsfortschritte aller Sektoren erzielt. Er verringerte seine CO2-Emissionen von 1990 bis 2018 um 44 Prozent. Zuletzt verursachten Wärme- und Warmwasserversorgung sowie Kühlung von Wohn- und Nichtwohngebäuden nur noch 13,5 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen – im Jahr 1990 waren es noch fast 17 Prozent. Trotzdem ist der Weg zur Sollerfüllung bis 2030 noch weit.
3. Das Wohnen kann noch klimafreundlicher werden
Zwar entfallen 30 Prozent der Emissionen im Gebäudesektor auf gewerblich genutzte Immobilien, im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es beim Wohnen noch viel zu tun gibt. Nach Angaben des Umweltbundesamts sind 36 Prozent aller hiesigen Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser gänzlich unsaniert, weitere 51 Prozent nur teilsaniert. Gut zwei Drittel der Wohngebäude stammen aus der Zeit vor 1977, als noch keine Wärmeschutzverordnung galt. Das bedeutet: Gerade bei diesen Gebäuden könnten energetische Sanierungen einiges bewirken.
4. Bewohner von Eigenheimen sind schon heute Klimaschutzvorreiter
Laut dem jüngst veröffentlichten Energiewendebarometer der KfW sind gerade die Bewohner von Eigenheimen regelrechte Klimaschutzvorreiter und leisten schon heute einen wesentlich größeren Beitrag zur Energiewende als Mieterhaushalte bzw. deren Vermieter (Grafik):
Die KfW stuft 37 Prozent der Selbstnutzer von Ein- oder Zweifamilienhäusern auf Basis einer repräsentativen Befragung als sogenannte Energiewender ein, die mindestens eine Energiewendetechnologie nutzen.
Von den Mieterhaushalten, die in der Regel angewiesen sind auf Investitionsentscheidungen ihrer Vermieter, haben sich dagegen gerade einmal 11 Prozent das Prädikat Energiewender verdient. Diese immense Diskrepanz erklärt sich vor allem aus dem Einsatz klimafreundlicher Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung wie Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpen.
Was folgt nun aus all diesen Fakten?
Klar ist: Ohne die 17 Millionen selbstnutzenden Wohneigentümer in Deutschland werden sich die ehrgeizigen Klimaziele im Gebäudesektor nicht erreichen lassen. Und an der Offenheit der Hausbesitzer für klimaschonende Technologien wird es auch nicht scheitern, wie die KfW-Studie belegt. Gerade Bewohner von Eigenheimen sind aus gutem Grund Pioniere der Energiewende, denn sie haben unmittelbare Vorteile: Es bessert sich beispielsweise das Wohnklima, zudem sinken Heizkosten und Stromrechnung. Vermieter dagegen spüren keinen direkten Nutzen, sondern können allenfalls höhere Mieteinnahmen erzielen.
Gefragt sind daher nicht Zwang und Auflagen, sondern kluge Anreize, um die vorhandene Motivation der Wohneigentümer zu verstärken. Die vom Bauministerium angekündigte steuerliche Förderung könnte dies leisten. Ob neue Heiztechnik, Photovoltaik oder Dämmung – steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten überlassen den Hauseigentümern die Entscheidung, welche Sanierungsmaßnahme sie ergreifen wollen. Allerdings zahlen Selbstnutzer von Wohneigentum, gerade junge Familien und Ältere, mitunter zu wenig Einkommensteuer, um von Abschreibungsmöglichkeiten wirklich profitieren zu können. Deshalb wäre es auch wichtig, dass Sanierungen wahlweise über attraktive Zuschüsse förderbar sind beziehungsweise bleiben, wie es schon im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigt war.
Die Menschen mitzunehmen statt sie zu verschrecken, das bleibt gerade bei „Eigenheimern“ eine sensible Aufgabe. Vor allem für ältere Wohneigentümer ist die Vorstellung von einer großen Baustelle im Haus erstmal abschreckend. Die Landesbausparkassen stellen in ihrer Beratungspraxis aber auch hier ein Umdenken fest: Viele sind, wenn sie praktische Hilfe angeboten bekommen (zum Beispiel von Energieberatern), sehr wohl bereit zu investieren. Und zwar nicht nur mit angespartem Eigenkapital aus einem Bausparvertrag, sondern bei größeren Baumaßnahmen auch mit Modernisierungsdarlehen, die von den Bausparkassen bis zur Höhe von 30.000 Euro „blanko“ vergeben werden können, also ohne die Eintragung eines Grundpfandrechts ins Grundbuch. Dies spart Aufwand und Kosten.
Zum Schluss noch ein Gedanke, der mich schon länger umtreibt: In Brüssel wird unter der Überschrift „Green Finance“ beziehungsweise „Sustainable Finance“ gerade intensiv darüber nachgedacht, wie Kapitalströme in klimafreundliche Investitionen gelenkt werden können. Für die Bausparkassen, die mit 25 Millionen Kunden ein wichtiger Multiplikator für künftige Förderinstrumente sein werden, ist das im Prinzip nichts Neues, sondern in ihrem Geschäftsmodell verankert.
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