Warum die BGH-Entscheidung Bausparer nicht schwächt, sondern stärkt

Veröffentlicht am 22. Februar 2017 von Axel Guthmann

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern eine Entscheidung für die Bausparer getroffen. Er hat bestätigt, dass Bausparkassen Verträge kündigen dürfen, bei denen zehn Jahre nach Zuteilungsreife kein Darlehen in Anspruch genommen wurde. Und das ist für „99 Prozent“ aller Bausparer eine gute Nachricht.

Die heutige Berichterstattung in einigen Qualitätsmedien in Deutschland hat die Zusammenhänge, von denen sich auch die obersten Zivilrichter des BGH haben leiten lassen, erkannt. So spricht der Handelsblatt-Kommentator von einem „überaus vernünftigen Urteil“; die FAZ stellt fest, dass die BGH-Entscheidung gut für die Bausparer sei, die erst in ein paar Jahren einen Kredit abrufen wollen.

Grundprinzip des Bausparens

Um das Urteil (XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) richtig zu verstehen, ist es wichtig, sich das Grundprinzip des Bausparens noch einmal vor Augen zu führen: Ein Bausparer spart seinen Vertrag an, bis er zuteilungsreif ist. Das dauert in der Regel sieben oder acht Jahre. Dann kann er ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen. So bekommt er Geld für die erste Wohnung oder das Häuschen im Grünen oder die Renovierung des alten Familienheims. Er ist aber natürlich nicht verpflichtet, ein Darlehen zu nehmen. Er kann auch weitersparen. Und zwar nochmal zehn Jahre lang. Insgesamt hat er also schon rund 20 Jahre gespart. Erst dann kann die Bausparkasse den Vertrag beenden.

In einem der beiden Fälle, die der XI. Zivilsenat des BGH gestern verhandelt und entschieden hat, war der Vertrag sogar 36 Jahre lang bespart worden. Das ist der betroffenen Sparerin nicht zu verübeln. Schließlich hat sie von Sparzinsen profitiert, wie es sie schon lange nirgends sonst mehr gibt. Aber es ist nicht im Interesse aller Bausparer, dass das unendlich so weitergeht. Denn zum Bausparsystem gehören unabdingbar zwei Seiten: Sparer und Darlehensnehmer. Keine der beiden Seiten ist verzichtbar. Das ist der Unterschied zwischen einem Sparvertrag und einem Bausparvertrag. Wer das Bausparen nur einseitig nutzen will, kann auch das tun – aber eben begrenzt.

Mehrheit der Bausparer wird gestärkt

Von den bisher strittigen Kündigungen ist nur ein kleiner einstelliger Prozentsatz aller Bausparer in Deutschland überhaupt betroffen. Diese kleine Gruppe sorgt aber für erhebliche Belastungen im Bausparsystem. Es ist deshalb im Interesse der Mehrzahl der Bausparer, dass die Bausparkassen die einseitige Nutzung des Bausparsystems begrenzen. Die betroffenen Kunden verlieren kein Erspartes, sie verlieren keine gutgeschriebenen Zinsen. Sie können nur nicht unbegrenzt von Zinsvorteilen profitieren.

Mit seiner Entscheidung hat der BGH auch nicht den Rechtsgrundsatz „Pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) geschwächt, sondern die Interessen der Mehrzahl der Bausparer gestärkt. Er ist nämlich der Frage nachgegangen, was zu dem Vertrag gehört, der einzuhalten ist. Geht es ausschließlich um Sparen oder ist da noch mehr? Die Antwort des BGH ist klar: Ein Bausparvertrag ist ein Bausparvertrag. Und nicht nur ein Sparvertrag. Diese Antwort steht im Einklang mit der herrschenden Ansicht der Literatur sowie der Urteile in erster und zweiter Instanz. Der Rechtsgrundsatz „Pacta sunt servanda“ konnte also gar nicht geschwächt werden, er stand nie zur Disposition.

Urteil im Sinne des Verbraucherschutzes

Letztlich hat der BGH mit seiner Entscheidung nicht die Interessen „einiger weniger“ im Bausparsystem, sondern die Interessen der Mehrzahl der Bausparerinnen und Bausparer geschützt. Damit ist das Urteil auch ein Urteil zugunsten des Verbraucherschutzes.

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