Aktueller Neubau bringt die Wohneigentumsquote in Deutschland nicht voran
Der Wohnungsbau in Deutschland brummt. Wohin man auch schaut: überall Baukräne. An diesem Bild dürfte sich so schnell nichts ändern, zumal rund 650.000 genehmigte Wohnungen aus den zurückliegenden Jahren noch „in der Pipeline“ sind, also erst noch errichtet werden. Allerdings tauchen am Horizont erste Wolken auf, denn die Zahl der Baugenehmigungen – sie sind der wichtigste Indikator für künftige Fertigstellungen – ist nach einer zehnjährigen Aufwärtsentwicklung im vergangenen Jahr erstmals gesunken. Besonders betroffen: Eigenheime und Wohnungen für Selbstnutzer.
Insgesamt wurde in Deutschland 2017 der Bau von 348.000 Wohnungen genehmigt. Dies sind 7,3 Prozent oder 27.300 weniger als im Jahr zuvor. Ob das Niveau von jährlich rund 350.000 Wohnungen in den nächsten Jahren gehalten werden kann und dies ausreicht, perspektivisch den nach wie vor hohen Wohnungsbedarf mit wieder bezahlbaren Mieten und Preisen zu decken, darüber kann man trefflich streiten. Die Politik hat die Frage für sich beantwortet und im Koalitionsvertrag vereinbart, den Wohnungsbau mit Fördermitteln zu stützen. Begünstigt werden sollen dabei alle Segmente: der soziale Wohnungsbau (mindestens zwei Milliarden Euro in den Jahren 2020/2021), der frei finanzierte Wohnungsbau (neue Sonder-Afa von fünf Prozent über vier Jahre zusätzlich zur linearen Abschreibung) und das selbstgenutzte Wohneigentum (Baukindergeld für Ersterwerber).
Richtiger Zeitpunkt für staatliche Impulse?
Begeht der Staat damit den – zumindest aus Sicht vieler Ökonomen – „klassischen Fehler“, in einen bereits von sich aus angesprungenen Markt „hineinzufördern“ mit dem Ergebnis noch höherer Preise? Oder ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für zusätzliche Impulse, weil dem Wohnungsneubau ansonsten die Luft auszugehen droht? Die „richtige“ Antwort werden wir erst in einigen Jahren kennen. Aber eines lässt sich jetzt bereits sagen: Die Politik hat bei ihrer Entscheidung, den Wohnungsbau zu fördern, mitbedacht, dass es derzeit zwei wesentliche Hemmnisse für mehr Neubau gibt: zum einen den Mangel an Bauland (vermutlich der Preistreiber Nummer Eins), zum anderen den Mangel an Eigenkapital, der vor allem für private Bauherren und Käufer zunehmend ein Problem darstellt.
Die Mobilisierung von Bauland soll laut Koalitionsvertrag deshalb flankierend durch zahlreiche Einzelmaßnahmen unterstützt werden. Das Spektrum reicht von der Wiedereinführung einer Grundsteuer C, mit der Kommunen „Verkaufsdruck“ auf Grundstückseigentümer ausüben können sollen, über die Zurverfügungstellung bundeseigener Grundstücke zu vergünstigten Konditionen bis hin zu neuen, noch nicht ganz klaren Ideen wie das Vorhaben, Wohnbauland von Landwirten für den Mietwohnungsbau zu aktivieren. Nicht zuletzt sollen die Kommunen bei der Baulandmobilisierung unterstützt werden, u. a. durch Verbesserungen im Bauplanungsrecht.
Wohneigentum für junge Leute kaum noch machbar
Preistreibend im Neubau wirken sich aktuell aber nicht nur der Baulandmangel aus, sondern auch die extrem niedrigen Kapitalmarktzinsen. Investoren aus der ganzen Welt haben den als besonders sicher geltenden Immobilienmarkt Deutschland „entdeckt“. Das Ergebnis sind kräftig gestiegene Immobilienpreise, insbesondere in den Ballungsräumen. Private Bauherren und Käufer, die ein Haus oder eine Wohnung nicht vermieten, sondern selbst nutzen wollen, kommen dadurch mehr und mehr in die Bredouille. Denn das für den Erwerb notwendige Eigenkapital ist in der Regel nicht in ausreichendem Maße mit den stark gestiegenen Immobilienpreisen „mitgewachsen“. Darüber hinaus sind proportional auch die Erwerbsnebenkosten gestiegen, die ebenfalls aus vorhandenem Geldvermögen bestritten werden müssen, insbesondere die Grunderwerbsteuer. Das Resultat ist, dass sich trotz guter Arbeitsmarktlage, steigender Einkommen und historisch niedriger Zinsen immer weniger junge Haushalte den Erwerb von Wohneigentum leisten können. Berechnungen zufolge (mehr dazu demnächst in diesem Blog) ist das Potential an Ersterwerbern bzw. neuen Wohneigentümern seit 2007 rückläufig.
Politik unterstützt Eigenkapitalbildung
Das Vorhaben der Großen Koalition, die Eigentumsbildung mit einem Baukindergeld zu unterstützen (mit dem ja nicht nur der Neubau, sondern auch der Bestandserwerb gefördert werden soll), ist damit auch eine Antwort auf das derzeit größte Hemmnis beim Erwerb: fehlendes Eigenkapital. Darüber hinaus soll für eine künftig intensivere, möglichst frühzeitig beginnende Eigenkapitalbildung die Wohnungsbauprämie für das Bausparen verbessert werden.
Die nachlassende Wohneigentumsbildung in Deutschland lässt sich auch an den aktuellen Genehmigungszahlen ablesen. Nur noch 44 Prozent der 2017 erteilten Baugenehmigungen entfielen auf Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und selbstgenutzten Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Dagegen erreichte die „Mietwohnungsquote“ 56 Prozent. In den 2000er Jahren sah das noch ganz anders aus. Damals war der Geschosswohnungsbau nahezu zum Erliegen gekommen und die Bautätigkeit wurde mehr oder weniger von den Selbstnutzern getragen. Dieses Verhältnis hat sich zwischenzeitlich gänzlich umgekehrt.
Unseren Berechnungen liegt die aus der Zensus-Erhebung 2011 stammende Aufteilung zugrunde, wonach 40 Prozent der Eigentumswohnungen im Geschosswohnungsbau für Selbstnutzer vorgesehen sind. Ferner ist auf der gleichen Basis unterstellt, dass 10 Prozent der genehmigten Einfamilienhäuser und 20 Prozent der Zweifamilienhäuser ebenfalls als Mietobjekte auf den Markt kommen.
Rückläufige Wohneigentumsquote
Unterm Strich heißt das, dass derzeit mehr Mietwohnungen als selbstgenutzte Häuser und Wohnungen entstehen. Oder anders ausgedrückt: der aktuelle Neubau trägt nicht dazu bei, die niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland von 45 Prozent zu verbessern. Die Große Koalition kann sich angesichts dieser Zahlen bestätigt sehen, dass es wichtig ist, auch gezielt die Wohneigentumsbildung zu stärken. Zumal in der Regel jedes neue Eigenheim und jede selbstgenutzte Wohnung andere Wohnungen, meist Mietwohnungen, freimacht und damit den Wohnungsmarkt insgesamt entlastet („Sickereffekt“).
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