Wohneigentumsquote kommt nicht voran
Die Wohneigentumsquote in Deutschland kommt nicht voran: Trotz der seit einigen Jahren günstigen Rahmenbedingungen für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum, insbesondere den niedrigen Zinsen und der guten Beschäftigungslage, stagniert der Anteil der Haushalte, der in den eigenen vier Wänden wohnt, seit über zehn Jahren bei rund 43 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Sonderauswertung der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes durch das Immobilienforschungsinstitut empirica in Zusammenarbeit mit unseren „LBS Research-Leuten“.
Demnach hat sich die Wohneigentumsquote seit 2003 lediglich in Ostdeutschland nochmals leicht verbessert, von 34,8 auf 36,4 Prozent. Im früheren Bundesgebiet hingegen ging der Anteil der Selbstnutzer sogar leicht zurück (von 46,8 auf 46,3 Prozent), so dass für Gesamtdeutschland eine Stagnation bei rund 43 Prozent resultiert (siehe Grafik). Dabei zeigt sich, dass hinter dem Stillstand bisher kaum beachtete Alters-Effekte stehen: So wird die – ohnehin relativ niedrige – Wohneigentumsquote mehr und mehr getragen von inzwischen älteren Haushalten; bei den jüngeren hingegen ist die Wohneigentumsbildung im Vergleich zu früheren Jahren rückläufig.
Ein Beispiel: Anfang der 90er Jahre betrug die Wohneigentumsquote der „Alten“, der über 70-Jährigen, in Westdeutschland gut 40 Prozent, die Wohneigentumsquote der für die Eigentumsbildung entscheidenden Altersklasse der 40- bis 49-Jährigen lag mit annähernd 60 Prozent deutlich darüber. Inzwischen kommen die jüngeren im Westen nur noch auf eine Quote von gut 50 Prozent. Die Altersschichten mit hohen Eigentumsquoten rücken im Zeitablauf in ältere Altersschichten auf (sog. Kohorteneffekt), so dass die „Alten“ heute eine Wohneigentumsquote von fast 50 Prozent aufweisen. Anders ausgedrückt: Die steigende Eigentumsquote bei den Älteren ist das Spiegelbild vergangener Erfolge bei der Eigentumsbildung.
Ganz ähnliche Effekte können anhand der EVS-Daten in Ostdeutschland beobachtet werden. Zwar haben die neuen Länder nach der Wiedervereinigung einen enormen Aufholprozess absolviert, bei dem von Jahr zu Jahr immer mehr jüngere Menschen Eigentum erworben haben, allerdings dürfte der Höhepunkt dieser Entwicklung bereits überschritten sein. Inzwischen ereilt den Osten das gleiche Schicksal wie den Westen: Die Eigentumsquote bei den unter 50-Jährigen sinkt.
Die Forscher begründen die rückläufige Eigentumsquote bei jüngeren Haushalten mit der zurückgehenden Familienbildung und einer zunehmenden Zahl an Ein-Personen-Haushalten („Versingelung“). Zwar bilden Familien heute mehr noch als früher Wohneigentum, doch reicht dies nicht aus, um den wachsenden Anteil der Singlehaushalte, die mehrheitlich Mieter sind, auszugleichen. Darüber hinaus wirke sich auch die seit einigen Jahren zu beobachtende „Landflucht“ tendenziell negativ auf die Eigentumsquote aus. Denn in den Großstädten ist die Wohneigentumsbildung aufgrund mangelnder Angebote und höherer Preise ungleich schwerer.
Mein Fazit daraus: Deutschland, historisch bedingt Schlusslicht in Europa bei der Wohneigentumsquote, hat es bisher nicht geschafft, sich in Richtung „Eigentümer-Republik“ zu entwickeln. Für künftige Erfolge bei der Wohneigentumsbildung kommt es jetzt darauf an, das Wohnungsangebot (für potentielle Selbstnutzer!) in den Schwerpunkten der Wohnungsnachfrage spürbar zu erhöhen, für Familien ebenso wie für Singles und kinderlose Paare.
Sicherlich ist der inzwischen angesprungene Neubau quantitativ auf dem richtigen Weg, jedoch ist dies noch keine Garantie für Verbesserungen bei der Wohneigentumsquote. Denn der Wohnungsmarkt wird derzeit, bedingt durch das niedrige Zinsniveau und fehlende Anlagealternativen, dominiert von Kapitalanlegern aus dem In- und Ausland. Die Folge sind weiter steigende Kauf- und Mietpreise, so dass für Haushalte mit „normalem“ Einkommen der Einstieg ins Wohneigentum insbesondere in Großstädten heute nicht leichter ist als früher. Es ist deshalb richtig, wenn in der Fachwelt und in der Politik jetzt vermehrt über gezielte Hilfen für Selbstnutzer nachgedacht wird.
[1] Im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) befragt das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre private Haushalte zu ihren Einnahmen und Ausgaben, zur Vermögensbildung, zu Ausstattung mit Gebrauchsgütern und zur Wohnsituation. Die jüngste EVS wurde im Jahr 2013 erhoben.