In der WELT: Wilde Thesen zum Wohneigentum
Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit bilden Wissenschaft und Presse manchmal eine unheilvolle Allianz. Ein schönes Beispiel hierfür lieferte zuletzt ein Beitrag in der WELT über eine schon etwas ältere Studie des britischen Ökonomen und Glücksforschers Andrew Oswald zum Thema „Wohneigentum und Arbeitslosigkeit“. Nach empirischer Analyse US-amerikanischer Daten hat der Wissenschaftler von der University of Warwick folgendes Fazit gezogen: Je mehr Menschen im Wohneigentum leben, desto höher die (spätere) Arbeitslosigkeit. Seine Begründung: Wenn die Menschen arbeitslos werden, hängen sie an ihrem Eigentum und sind nicht bereit, woanders einen Job anzunehmen.
In der Wissenschaft hat die „Erkenntnis“ keinerlei Widerhall gefunden. Und jeder, der ein bisschen selbst darüber nachdenkt, kommt sofort dahinter, dass der Ökonom es sich mit dieser Kausalität etwas einfach gemacht hat. Für die WELT allerdings kein Grund, die Geschichte nicht „hochzuziehen“ und sie mit der aktuellen wohnungspolitischen Diskussion in Deutschland in Verbindung zu bringen (den Beitrag gibt´s online derzeit nur hinter der „Bezahlschranke“). Denn hierzulande werde ja gerade darüber nachgedacht, „milliardenschwere Steuergeschenke“ für die Förderung des Wohneigentums „auszuschütten“. Um dann noch eins draufzusetzen: Solche Förderungen könnten die Konjunkturentwicklung „bremsen“ und die Arbeitslosigkeit „entfachen“.
Starke Verben, doch leider auch starker Tobak. Davon, dass die Theorie in Fachkreisen „aufmerksam diskutiert“ wird, wie uns die WELT erklärt, kann nicht die Rede sein. Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter der IREBS Immobilienakademie der Universität Regensburg sagt höflich, von der WELT darauf angesprochen, dass die Argumentation in einigen Punkten doch übertrieben sei. Stefan Mitropoulos, Immobilienanalyst der Landesbank Hessen-Thüringen, hält gar nichts von der These des Briten.
Und ich auch nicht. Denn – abgesehen davon, dass die Untersuchung die Bedeutung des Wohneigentums für die Vermögensbildung ausblendet – sieht die für jeden sichtbare Wirklichkeit doch so aus: Weder die schlechte Arbeitsmarktlage in Deutschland vor 10 Jahren noch die gute Arbeitsmarktlage heute hat irgendetwas mit der Wohneigentumsquote zu tun. Beruflich ausgelöste Wanderungsbewegungen finden in Deutschland seit jeher eben in die Städte und Regionen statt, wo das Arbeitsplatzangebot höher ist und – auch historisch bedingt – die Eigentumsquote niedrig bzw. das Angebot an Mietwohnungen hoch ist. Strukturschwache Regionen sind dagegen unabhängig von der Eigentumsquote von höherer Arbeitslosigkeit betroffen.
Das heißt nicht, dass es nicht Hemmnisse für einen Umzug gibt. Diese gibt es aber gerade auch für Mieterhaushalte, wenn sie schon sehr lange in einer günstigen, durch das Mietrecht vor sprunghaften Mietsteigerungen geschützten Mietwohnung leben. Hohe Erwerbsnebenkosten, das hat die WELT zurecht angesprochen, sind ebenfalls ein Umzugshemmnis. Hinzu kommen weitere Faktoren, die ganz unabhängig davon, ob ein Haushalt zur Miete oder im Eigentum lebt, eine Rolle spielen, etwa der komplizierte Wechsel in ein anderes Schulsystem.
Was man auch sehen muss: in England, dem Heimatland von Andrew Oswald, gibt es – anders als in Deutschland – kaum privat vermietete Wohnungen. Dass der Ökonom deshalb für mehr Mietwohnungen wirbt, ist gut nachvollziehbar. In der Tat ist ein qualitativ hochwertiges Mietwohnungsangebot (vor allem in den Großstädten) für noch nicht „gesettelte“ Berufsanfänger wichtig. Doch die vielschichtigen Probleme am Arbeitsmarkt werden dadurch nicht gelöst. Und glücklicher dürften die Engländer dadurch auch nicht werden, im Gegenteil: Wohneigentümer sind zufriedener als Mieter, wie Andrew Oswald selbst herausgefunden hat.
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