Ein Jahr der Wohnungspolitik geht – eines kommt
Im Jahr 2019 stand oft eine typische Berliner Mietersicht auf den Wohnungsmarkt im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Glücklicherweise hat sich die Bundespolitik davon nicht beirren lassen, sondern daran festgehalten, auch das Wohneigentum zu stärken. Ein Jahresrückblick auf die Wohnungspolitik – und ein Ausblick auf das kommende Jahr.
Die Zeit zwischen Jahren ist die Zeit der Standortbestimmung. In Bezug auf den Wohnungsmarkt und die Wohnungspolitik fällt die Bilanz ambivalent aus: Untrennbar verbunden bleiben wird das Jahr 2019 wohl mit der Einführung eines „Mietendeckels“ in Berlin und mit den für Nicht-Hauptstädter wohl schwer nachvollziehbaren Diskussionen über Enteignungen von privaten Wohnungsunternehmen. Von daher kann man es durchaus erfreulich nennen, dass sich die Bundesregierung von den Berliner Eskapaden nicht hat mitreißen lassen, sondern recht beharrlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Wohnungsgipfels vom September 2018 gearbeitet hat, um beim gemeinsamen Ziel dieser Großen Koalition voranzukommen: nämlich bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Ganz besonders positiv hervorzuheben ist dabei, dass auch die Wohneigentumsbildung gestärkt wird – liegt hier doch der Schlüssel sowohl für die Verbesserung der Wohnraumversorgung als auch für die private Vermögensbildung und Altersvorsorge.
Ein Rückblick auf das Jahr 2019
1,5 Millionen neue Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode – so lautete das plakative Ziel der gemeinsamen „Wohnraumoffensive“, mit der die Bundesregierung beim Wohngipfel im Kanzleramt vor etwas mehr als einem Jahr alle maßgeblichen Akteure von Bund, Ländern und Kommunen hinter ein breites Maßnahmenbündel versammelt hat. Politisch fein austariert sollen alle Bereiche angeschoben werden: der soziale Wohnungsbau, der frei finanzierte Mietwohnungsbau und das private Wohneigentum. Schon heute ist klar, dass die Messlatte zu hoch angelegt war. Die zunehmenden Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft führen vielmehr dazu, dass sich Bauzeiten verlängern und die Liste genehmigter, aber unvollendeter beziehungsweise noch nicht einmal begonnener Wohnungsbauvorhaben wächst. Der Wohnraum in den Ballungsräumen bleibt also vorerst knapp. Dass dies vielerorts zu einem weiteren Anstieg der Mietpreise geführt hat, insbesondere bei den Neuvertragsmieten, ist wenig überraschend und wird gerne – ohne jede Differenzierung – lauthals beklagt.
Weniger im Fokus der breiten Öffentlichkeit stand bisher, dass die Kombination aus der zu schwachen Bautätigkeit und den extrem niedrigen Zinsen, die immer mehr Kapitalanleger in Immobilieninvestments locken, die Kaufpreise von Wohnungen und Häusern noch viel stärker in die Höhe getrieben hat. Damit wächst jedoch nicht nur die Sorge, dass sich in Deutschland eine Immobilienblase entwickeln könnte, sondern der Preisanstieg hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf Lebenspläne. Denn selbst wenn viele Menschen in Deutschland nach wie vor ausreichend verdienen, um sich den Traum vom eigenen Haus theoretisch erfüllen zu können, so scheitern sie doch immer öfter am fehlenden Eigenkapital. Das Ersparte wird vielfach bereits von den Kaufnebenkosten aufgezehrt, insbesondere der in vielen Bundesländern zu hohen Grunderwerbsteuer. Ohne zusätzliches Eigenkapital kann die Rückzahlung eines Darlehens zu einem Spagat werden, jedenfalls dann, wenn man sein Haus bis zum Eintritt in den Ruhestand abbezahlt haben und sich vielleicht zwischendurch auch mal einen Urlaub gönnen will.
Deshalb ist es gut, dass die Politik nicht der Versuchung unterlegen ist, sich nur den Schutz der Mieter auf die Fahnen zu schreiben, sondern gezielt das Wohnen in Eigentum fördert. Und es ist auch richtig, dazu in erster Linie am Eigenkapital anzusetzen. Lob verdienen deshalb:
Das Baukindergeld
Anfangs so lautstark kritisiert erreicht das Baukindergeld genau die richtige Zielgruppe, nämlich junge Familien mit geringem bis mittlerem Einkommen, wie die Ein-Jahres-Bilanz der Förderbank KfW ergeben hat (siehe Blog-Beitrag „Baukindergeld: Die Kritiker lagen daneben“). Nach neuesten Zahlen der KfW entfielen 62 Prozent der bewilligten Baukindergeldanträge auf Familien mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von unter 40.000 Euro. Ein weiterer positiver Effekt: Die Förderung wirkt am intensivsten „in der Fläche“, also dort, wo die Preise noch relativ niedrig sind. Damit leistet der dort entstehende Neubau einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der extrem angespannten Wohnungsmärkte in den wirtschaftsstärkeren städtischen Regionen.
Die Wohnungsbauprämie
Die ab 2021 greifende Verbesserung der Wohnungsbauprämie macht das vorausschauende Sparen für Wohneigentum und die Absicherung vor langfristigen Zinsrisiken wieder attraktiver (siehe Blog-Beitrag „Große Koalition haucht der Wohnungsbauprämie neues Leben ein“). Das Eigenkapital zu stärken und niedrige Zinsen in der Zukunft zu sichern – das ist nicht nur für den Einzelnen sinnvoll, sondern leistet in der Gesamtheit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Wohnungsbaufinanzierungssystems in Deutschland.
Das Klimapaket
Vor allem dank der Fridays-for-Future-Bewegung war die Klimapolitik das zweite große Thema des Jahres 2019. Vom Klimapaket, das die Bundesregierung im September vorgelegt hat, bleiben auch die Wohneigentümer nicht unberührt. Denn es ist eines der Hauptziele des Maßnahmenbündels, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor drastisch zu reduzieren. Aus Sicht der privaten Immobilieneigentümer war es besonders wichtig, dass die Auflagen vernünftig geraten. Dies ist im Großen und Ganzen gelungen, und zwar ohne die klimapolitischen Ziele dabei aus den Augen zu verlieren: Es wird nicht nur die direkte Förderung der KfW in Form von Zuschüssen erhöht, sondern alternativ sind Klimaschutzaufwendungen künftig zu einem Fünftel von der Steuerschuld abziehbar. Inzwischen hat dieser Ansatz, der wegen des Steuerausfalls in den Bundesländern zunächst auf wenig Gegenliebe stieß, auch den Bundesrat passiert.
Was bringt das Jahr 2020?
Die Flucht der Kapitalanleger ins Betongold wird sich nach den jüngsten geldpolitischen Beschlüssen der EZB weiter fortsetzen und die Immobilienpreise hoch halten. Die Preise für neue Häuser und Wohnungen werden aber nicht nur vom Kapitalmarktzins determiniert, sondern schlicht und einfach auch von Angebot und Nachfrage. Hier hat die Bundesregierung richtig reagiert und die Weichen auf Expansion gestellt. Zu den Besonderheiten des Wohnungsmarktes gehört es aber, dass sich das Angebot an neuem Wohnraum nur langsam ausdehnen lässt. Es braucht einfach Zeit, bis Baurecht geschaffen und neue Objekte gebaut sind. Auf mittlere Sicht ist aber mit Entspannung zu rechnen, wenn die schon genehmigten Objekte nach und nach auf den Markt kommen und – ganz entscheidend – Neugenehmigungen nicht einbrechen. Voraussetzung hierfür: neues Bauland. Trotz aller Bemühungen um Nachverdichtung, ohne neue Flächen, gerne stadtnah und/oder auf ehemaligen Brachflächen, wird es nicht funktionieren, den benötigten preiswerten Wohnraum zu schaffen.
Und auch ohne das private Engagement künftiger Wohneigentümer wird es nicht gelingen, zu preiswerterem Wohnen zu gelangen. Menschen, die ihre Wohnraumversorgung selbst in die Hand nehmen, entlasten den Staat unmittelbar. Sie machen in der Regel preiswerten Mietwohnraum frei, der nicht über viel teureren sozialen Wohnungsbau erst generiert werden muss. Und sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Alter dem Staat nicht zur Last fallen, weil sie ihre Rente mit der ersparten Miete kräftig aufbessern können. Es ist deshalb zu wünschen, dass die Politik dranbleibt am Thema „Wohneigentum stärken“ und sich frühzeitig Gedanken macht, wie es nach dem Auslaufen des Baukindergelds Ende des Jahres mit der Förderung des Wohneigentums weitergeht.
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