Baukindergeld: Was ist dran an der neuesten Kritik der Grünen?
Vor seiner Einführung war das Baukindergeld umstritten, inzwischen haben sich jedoch die meisten Einwände in Luft aufgelöst oder in ihr Gegenteil verkehrt. Nun glauben die Grünen, noch ein Haar in der Suppe gefunden zu haben: den Flächenverbrauch. Dagegen, dass sich die Partei dieses Themas annimmt, lässt sich gar nichts sagen. Bis auf eins: Es spricht nicht gegen das Baukindergeld. Warum das so ist, wird klar, wenn man sich die Argumente etwas genauer anschaut.
Zum Stichwort „Flächenverbrauch“: Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen entfielen bisher rund 90 Prozent der Baukindergeldanträge, die den Neubau betreffen, auf Eigenheime. Wer nun meint, jedes neue Eigenheim sei eines zu viel, der sollte nicht nur das Baukindergeld kritisieren, sondern gleich das Bauen von Eigenheimen verbieten. Ehrlicher wäre das allemal, aber es klänge eben auch ein bisschen absurd, also ist es wohl besser zu suggerieren, die Förderung sei des Übels. Warum die Logik dieser Forderung so verquer ist, sei hier kurz anhand von ein paar Zahlen erläutert: Im Jahr 2019 kamen auf je zehn neue Eigenheime rund drei Baukindergeldanträge. Ob das viel oder wenig ist, ist wohl Ansichtssache. Es bedeutet jedenfalls auch, dass die meisten Eigenheime nach wie vor ohne staatliche Unterstützung gebaut werden, einfach, weil die Menschen und die Kommunen vor Ort es wollen.
Was die Grünen zudem unter den Tisch fallen lassen: Tatsächlich wird das Baukindergeld gar nicht überwiegend für den Neubau genutzt, sondern vielmehr für den Kauf schon vorhandener Häuser und Wohnungen. Auch bei den Eigenheimen liegt der Neubauanteil an den Baukindergeldanträgen nämlich gerade einmal bei 26 Prozent:
Von September 2018 bis Ende Mai 2020 hatten insgesamt knapp 52.000 Familien einen Antrag auf Baukindergeld gestellt, die in ein neues Haus gezogen sind – 145.000 Antragsteller aber waren frischgebackene Eigentümer eines gebrauchten Hauses.
Man kann dies auch als vollen Erfolg für das nicht mehr nur von den Grünen verfolgte Ziel werten, möglichst viele vorhandene Flächen zu nutzen.
Nur nebenbei: Dass die meisten angehenden Wohneigentümer derzeit lieber nicht neu bauen, hat einen nachvollziehbaren Grund. Gebrauchte Häuser sind um einiges günstiger als Neubauten. Wer sich trotzdem für letzteres entscheidet, tut das – so viel darf man vielleicht unterstellen (auch dazu gab es aber schon Studien) – ebenfalls aus guten Gründen: weil er nichts Passendes gefunden hat zum Beispiel oder weil ältere Häuser den modernen Standards nicht mehr entsprechen und sich auch unter Einsatz von viel Geld nicht mehr entsprechend aufmöbeln lassen.
Vielleicht muss man es einfach noch mal sagen: Das Baukindergeld ist ein Instrument, um die Wohneigentumsbildung zu fördern und es ist ein Instrument der Familienförderung. Es ist aber gerade nicht dafür konzipiert, die Bautätigkeit auf neue Stufen zu heben. Kurz zur Erinnerung: Dafür braucht es vor allem Bauland und Kapazitäten in der Bauwirtschaft. Dass das Baukindergeld hier und da auch in den Neubau fließt, ist logisch und zu begrüßen, weil die Wohnraumknappheit in Deutschland nun einmal nicht ohne Neubau zu beseitigen ist. Auch noch mal zur Erinnerung: Jeder Umzug in ein Eigenheim, ob neu oder alt, macht in aller Regel irgendwo eine Mietwohnung frei.
Und noch etwas sollten sich gerade die Grünen klarmachen: Die Klimaziele im Gebäudesektor werden ohne den Neubau von Niedrigenergiehäusern kaum zu erreichen sein.
Zum Stichwort „Übermäßiges Bauen in schrumpfenden Regionen“: Generell wird dort gebaut, wo eine Nachfrage besteht. Und dieser Nachfrage kann man nicht einfach die Legitimation absprechen. Mit derselben Logik könnte man auch nach einem Zuzugsstopp für Berlin oder München rufen. Wenn es nun aber dank Baukindergeld gelingt, die Nachfrage nach einem Zuhause in schrumpfenden Regionen wieder zu erhöhen, ist das was? Ganz sicher jedenfalls nicht zu beklagen. Dass das Baukindergeld auch wie eine Art „Bleibeprämie“ wirkt, hat einen einfachen Grund: Es bringt dort am meisten, wo die Immobilienpreise niedrig sind, sprich in den nicht ganz so prosperierenden Gegenden Deutschlands. Und jede Familie, die sich dafür entscheidet, hier sesshaft zu werden oder zu bleiben und dafür unter Umständen weitere Arbeitswege in Kauf nimmt, ist ein Gewinn. Denn sie trägt dazu bei, dass eine Region jung und lebendig bleibt und ihre Infrastruktur finanzieren kann. Als zusätzlicher positiver Nebeneffekt werden die Städte entlastet.
Nun soll die mancherorts durchaus vorhandene Problematik steigender Leerstände nicht negiert werden. Deshalb ist es umso besser, wenn zusätzliche lokale Förderprogramme wie „Jung kauft Alt“ es schaffen, die Nachfrage wieder stärker auf die vorhandene Bausubstanz in den Ortskernen zu lenken.
Zum Stichwort „Mitnahmeeffekte“: Gewisse Mitnahmeeffekte werden – wie bei jedem staatlichen Lenkungsinstrument – wohl auch beim Baukindergeld nicht zu vermeiden sein. Wie ausgeprägt diese sind, zeigen dann voraussichtlich im Laufe des Jahres 2021 die Ergebnisse einer vom Bundesbauministerium ausgeschriebenen Evaluation. Schon Ende 2018 hatte allerdings eine Studie von empirica ergeben, dass das Baukindergeld rund 58.000 Haushalte in die Lage versetzt, Wohneigentum zu erwerben, die es ohne diese staatliche Unterstützung eben nicht schaffen würden. Und die Einkommensverteilung der Baukindergeldanträge ist zumindest ein Indiz dafür, dass die Förderung bei ihrer Zielgruppe, den einkommensschwächeren – und daher zumeist auch vermögensärmeren – Familien ankommt.
Selbst für jene Fälle, in denen sich eine Familie ohnehin ein Häuschen gekauft hätte und sich nun über einen zuvor nicht eingeplanten Zuschuss freut, gilt: Das staatliche Geld wird ja trotzdem sinnvoll eingesetzt. Es sorgt dafür, dass diese Familie finanziell entlastet wird. Wer das nicht möchte, muss auch viele andere Formen der Familienförderung auf den Prüfstand stellen. Diese hier, das Baukindergeld, hat aber den Vorteil, dass sie zugleich den Vermögensaufbau fördert und so auch dabei hilft, die Vermögensungleichheit in Deutschland zu verringern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber: Wer stattdessen nach mehr Mietwohnungen ruft, dem muss man fast unterstellen, dass er genau das verhindern will. Nebenbei bemerkt verbrauchen natürlich auch neue Mietwohnungen Fläche. Hier beißt sich die Katze einfach in den Schwanz: Das Wohnungsproblem lässt sich nicht ohne einen gewissen Flächenverbrauch lösen. Diese Erkenntnis schließt kluge Lösungen ja nicht aus.
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