EU-Vermögensvergleich: Deutschland wird etwas reicher – auf niedrigem Niveau
Vor vier Jahren hatte die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals eine Untersuchung zur Vermögenssituation privater Haushalte in Europa vorgelegt und damit für viel Diskussionsstoff gesorgt. Wie sich nämlich herausstellte, standen die Deutschen vermögensmäßig schlechter da als so manches Krisenland im Süden Europas. Nun liegt das „Update“ der EZB-Statistik vor. Das Ergebnis: Deutschland hat sich im EU-Vergleich leicht verbessert, bleibt aber aufgrund seiner niedrigen Wohneigentumsquote abgeschlagen zurück.
Die umfangreiche, überwiegend 2014 erfolgte Befragung von über 84.000 Haushalten in 20 EU-Ländern (Household Finance and Consumption Survey) bestätigt zunächst die überragende Bedeutung der eigenen vier Wände für das Vermögen privater Haushalte. So entfällt mit 49,5 Prozent die Hälfte des gesamten Privatvermögens in der EU auf selbstgenutztes Wohneigentum. Für neun von zehn EU-Haushalten stellt der Wert des eigenen Hauses oder der eigenen Wohnung den größten Anteil an ihrem Vermögen dar. Das hohe Gewicht der eigenen Immobilie liefert zugleich die Erklärung dafür, warum die Deutschen im EU-Vergleich relativ arm sind: Die Bundesrepublik hat mit rund 46 % die niedrigste Wohneigentumsquote aller untersuchten EU-Länder.
Im „Mieterland“ Deutschland hat die EZB für den „Median-Haushalt“ (d.h. 50 Prozent der Haushalte liegen darunter, 50 Prozent darüber) ein Netto-Vermögen (d.h. abzüglich vorhandener Schulden) von 60.800 Euro ermittelt. Im EU-Durchschnitt beträgt dieses mittlere Vermögen 104.100 Euro. Spitzenreiter beim Vermögen (wieder bezogen auf den Median-Haushalt) sind die Länder Zypern (170.100 Euro), Spanien (159.600 Euro), Italien 146.200 Euro und Frankreich (113.300 Euro). Auch Portugal liegt mit einem Haushalts-Nettovermögen von 71.200 Euro vor der Bundesrepublik, ebenso Griechenland, dessen „mittlerer“ Haushalt auf ein Vermögen von 65.100 Euro kommt. All diese Länder haben deutlich höhere Wohneigentumsquoten zwischen knapp 60 und gut 80 Prozent. Im Durchschnitt der untersuchten EU-Länder liegt die Wohneigentumsquote bei 61 Prozent.
Etwas „freundlicher“ sieht die Vermögensbilanz für deutsche Haushalte aus, wenn man nicht auf den Median-Haushalt abstellt (dieser hat den Vorteil, dass „Ausreißer“ nach oben und unten keine Rolle spielen), sondern ein Durchschnittsvermögen errechnet. Der durchschnittliche private Haushalt in der Bundesrepublik verfügt demnach über ein Netto-Vermögen von 214.300 Euro. Damit liegt er vor den Griechen (104.200 Euro) und den Portugiesen (156.000 Euro), aber immer noch hinter Zypern (387.300 Euro), Spanien (273.600 Euro), Frankreich (243.100 Euro) und Italien (226.400 Euro).
Vergleicht man die aktuelle Vermögensbilanz mit den Ergebnissen der ersten EZB-Erhebung (mit Daten aus 2010), stellt man fest: Während Deutschland bezogen auf das durchschnittliche Netto-Vermögen privater Haushalte etwas reicher geworden ist (Anstieg von 209.200 auf 214.300 Euro beim Durchschnittsvermögen und Anstieg beim Median-Vermögen von 55.100 auf 60.800 Euro), haben – mit Ausnahme Finnlands und Maltas, die sich ebenfalls leicht verbessern konnten – alle anderen EU-Länder Vermögenseinbußen hinnehmen müssen. Den größten Vermögensverlust registrierte die EZB bezogen auf das Durchschnittsvermögen in Zypern (minus 46 Prozent), gefolgt von Griechenland (minus 34 Prozent), Italien (24 Prozent), Spanien (minus 11 Prozent) und Portugal (minus 9 Prozent). Die privaten Haushalte in Frankreich wurden um 4 Prozent ärmer.
Die Statistiker der EZB erklären die Verluste mit den in diesen Ländern gesunkenen Immobilienpreisen. Das erscheint plausibel und erklärt auch den Vermögenszuwachs privater Haushalte in Deutschland, das bekanntlich seit einigen Jahren (nach einer langen Phase der Stagnation) wieder steigende Immobilienpreise erfährt. Als weiteren, wenn auch weit weniger bedeutenden Einflussfaktor für den Rückgang des Nettovermögens der privaten Haushalte in den allermeisten EU-Ländern, nennen die Statistiker den Anstieg der privaten Verschuldung im Euro-Raum.
Alles in allem ist das Vermögen der privaten Haushalte in der EU gegenüber der ersten Erhebung um 10 Prozent gesunken, sowohl bezogen auf den Median-Haushalt als auch bezogen auf das Durchschnittsvermögen. Deutschland fällt insofern in zweierlei Hinsicht aus dem Rahmen: Anders als die allermeisten EU-Länder verbucht es aufgrund der hierzulande steigenden Immobilienpreise leichte Vermögenszuwächse bei den privaten Haushalten, bleibt aber aufgrund seiner extrem niedrigen Wohneigentumsquote insgesamt gesehen relativ arm.
Die EZB konstatiert, dass es einen starken Zusammenhang zwischen Wohneigentum und privatem Vermögen gibt. Mit dieser – eigentlich nicht überraschenden – Erkenntnis legt sie auch einen Finger in die Wunde der hiesigen Wohnungs- und Vermögenspolitik.