„Jung kauft Alt“ ist längst Realität

Veröffentlicht am 05. Januar 2023 von Axel Guthmann

Ende vergangenen Jahres ist eine neue Studie zur Wohneigentumsbildung erschienen. Sie ist ein Glücksfall. Denn sie zeigt dem Bundesbauministerium, in dessen Auftrag sie immerhin erstellt wurde, welche Richtung die Wohneigentumspolitik in diesem Jahr einschlagen sollte – und dass die bisher bekannten Pläne zumindest ergänzt gehören.

Das Jahr 2022 war kein gutes Jahr für die Wohneigentumsbildung. Die „Zeitenwende“, die Russlands Angriffskrieg in der Ukraine brachte, trifft auch den Markt für Wohnimmobilien. Hohe Energiekosten, Inflation, steigende Zinsen und vor allem: Unsicherheit. All das macht den Sprung in die eigenen vier Wände nicht leichter. Hinzu kam das Chaos rund um die energetische Neubauförderung, das zwar nicht nur, aber eben auch Selbstnutzer traf. Umso wichtiger ist es jetzt, das Jahr 2023 gut zu nutzen, um noch einigen Menschen mehr die Chance zu eröffnen, künftig im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung zu leben.

Leicht ist es schon seit geraumer Zeit nicht mehr, Wohneigentümer zu werden. Die niedrigen Zinsen halfen zwar, eine Finanzierung trotz der davon galoppierenden Immobilienpreise noch zu stemmen. Doch das nötige Eigenkapital konnten viele eben nicht mehr aufbringen, weil der Bedarf im Gleichschritt mit Preisen wächst. Dass die Wohneigentumsbildung in Deutschland genau genommen schon seit der Finanzkrise schwächelt, brachte eine Kurzstudie von empirica für die Landesbausparkassen ans Tageslicht(Grafik):

Grafik zur Wohneigentumsbildung

Zwischen 2008 und 2020 haben rund 1 Million Haushalte weniger den Sprung in die eigenen vier Wände geschafft, als gemessen an früheren normalen Jahren und in Relation zur Größe der Hauptzielgruppe der 30- bis 50-Jährigen zu erwarten gewesen wäre.

Der schnelle Anstieg der Bauzinsen seit dem Frühjahr 2022 hat viele Wohnträume in die nächste Warteschleife geschickt. Die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser lagen von Januar bis November vergangenen Jahres um fast 16 Prozent unter ihrem Vorjahresniveau. Sonderlich gewagt dürfte die Vermutung nicht sein, dass dies für so manch einen Gegner des Wohnens im Einfamilienhaus kein Grund zur Aufregung ist.

Es ist eines jeden gutes Recht, lieber im Mehrfamilienhaus zur Miete zu wohnen. Und es ist auch wichtig, dass eine entwickelte Volkswirtschaft wie Deutschland über ein ausreichendes Angebot an qualitativ hochwertigem Mietwohnraum verfügt, zum Beispiel für junge Menschen mit häufigen Wohnortwechseln. Jenseits von persönlichen Vorlieben und Zwängen sollten aber insbesondere die politischen Entscheider nicht die Augen davor verschließen, dass sich die allermeisten Menschen Wohneigentum explizit wünschen und dass dem Einfamilienhaus dabei eine wichtige Rolle zukommt. Die Befürchtung von Bundesbauministerin Klara Geywitz, dass jede Generation neue Einfamilienhäuser baue, weil die älteren Häuser nicht mehr an die nächste Generation weitergegeben würden, und – was mitschwingt – dadurch zu viele Einfamilienhäuser gebaut würden, mag zwar plausibel klingen, hat aber mit der Realität kaum etwas zu tun.

Das zeigt unter anderem die frisch veröffentlichte Studie zur Wohneigentumsbildung, die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesbauministeriums erstellt hat. Die Studie stützt sich auf eine Befragung des Marktforschungsunternehmens KANTAR, die in nicht ganz regelmäßigem mehrjährigen Turnus seit den 1970er Jahren stattfindet. Dadurch ist ein aufschlussreicher Langzeitvergleich möglich, vor allem aber lassen sich auch neuere Trends erkennen. Für die aktuelle Auflage wurden Erwerber der Jahre 2018 bis 2021 befragt. Heraus kam Folgendes:

1. Neu-Eigentümer ziehen oft in freistehende Einfamilienhäuser

Die Fakten: 45 Prozent der frischgebackenen Wohneigentümer haben sich für den Objekttyp freistehendes Einfamilienhaus entschieden. Gegenüber der vorherigen Befragung für die Jahre 2012 bis 2017 war das eine Zunahme um 6 Prozentpunkte. Weniger gefragt als in früheren Jahren waren dagegen Reihenhäuser: Ihr Anteil am Eigentumserwerb ist um 4 Prozentpunkte auf nur noch 13 Prozent geschrumpft. Auch der Anteil der Eigentumswohnungen ist um 4 Punkte zurückgegangen und liegt nun bei 17 Prozent. Die Erklärung für diese Verschiebung: Freistehende Einfamilienhäuser sind zum einen nach wie vor eine beliebte Wohnform. Zum anderen fehlt es in den Kernstädten an familiengeeigneten und bezahlbaren Eigentumswohnungen, auch durch die Konkurrenz der Kapitalanleger. Familien, die in Eigentum wohnen wollten, waren quasi gezwungen, sich im Umland der Städte umzusehen. Was sie dort fanden, waren, genau, Einfamilienhäuser – und zwar bereits bestehende. Das führt zum zweiten wesentlichen Ergebnis der BBSR-Studie:

2. Zum Eigentum am Einfamilienhaus verhilft meist ein Besitzerwechsel, nur noch selten Neubau

Zuletzt wurde nicht einmal mehr ein Viertel jener Einfamilienhäuser neu gebaut, die Menschen zu Wohneigentümern machten. Vielmehr wurden satte 77 Prozent der Nachfrage aus dem Bestand gedeckt. Noch ausgeprägter zugunsten des Bestands verhielt sich die Relation bei den Reihenhäusern, Doppelhaushälften und Zweifamilienhäusern, von denen 90 Prozent von früheren Eigentümern übernommen wurden. Von den neu erworbenen Eigentumswohnungen war dagegen mehr als jede dritte neugebaut – was nebenbei bemerkt gar nicht schlimm ist, denn Deutschland braucht Neubau, um seinen Bedarf an Wohnraum decken zu können.

Das Modell „Jung kauft Alt“, das die Bundesbauministerin – durchaus zu Recht – so oft lobend erwähnt, wird also längst praktiziert. Hinzu kommt inzwischen in substanziellen Dimensionen aber noch eine andere Form der Weitergabe an die nächste Generation:

3. Erbschaften sind eine Chance auf ein Leben in den eigenen vier Wänden

In der aktuellen BBSR-Erhebung für die Jahre 2018 bis 2023 fußten 23 Prozent des Neueigentums an einer selbst genutzten Immobilie auf einem Erbe oder einer Schenkung. Das ist gegenüber den Jahren 2012 bis 2017 ein erheblicher Anstieg um 7 Prozentpunkte. Was hier an Kinder und Enkel übergeben wird, ist der bescheidene Wohlstand der Nachkriegsgeneration, also nur selten Schlösser und Villen, sondern weit häufiger wohl sanierungsbedürftige Eigenheime aus den 1960er und 1970er Jahren. Wenn es gut läuft, können die glücklichen Erben dann immerhin genug Kapital aufbringen, um ihr geerbtes Häuschen energetisch zu sanieren. Denn, das ist auch klar: Eigentum verpflichtet. Wer seine Immobilie dämmt und mit einer Wärmepumpe ausstattet, um sie zukunftsfest zu machen, spart aber nicht nur selbst Heizkosten, sondern nützt auch dem Klima.

Wer nicht geerbt hat, brauchte zuletzt sehr viel Eigenkapital: Laut BBSR-Studie setzten 92 Prozent der Haushalte Eigenkapital zur Finanzierung ihres neuen Heims ein – im Schnitt 195.000 Euro. Das sind 28.000 Euro und damit fast 17 Prozent mehr als in der vorherigen Befragungswelle.

Zusammengefasst: Die Menschen möchten im Eigenheim wohnen und sie erfüllen sich diesen Traum meistens in Form eines gebrauchten Häuschens. Dafür müssen sie entweder erben oder sehr viel Eigenkapital mitbringen.

Damit nicht alle anderen ihren Wunsch nach Wohneigentum begraben müssen, bedarf es vorübergehend einer gewissen staatlichen Unterstützung. Die BBSR-Studie zeigt auch dies:

4. Die Förderung hat bisher vielen geholfen

Für jede zweite neu gebaute, selbst genutzte Immobilie wurde in den Jahren 2018 bis 2021 auch eine Form der staatlichen Förderung eingesetzt, Bestandskäufer nutzten sie zu 41 Prozent. Das Baukindergeld beispielsweise, das fast den gesamten Befragungszeitraum über zur Verfügung stand, hat 42 Prozent aller Neu-Eigentümer beim Erwerb geholfen. Doch auch die Bedeutung der Sparförderung sollte nicht unterschätzt werden: So haben immerhin 47 Prozent der Neu-Eigentümer Eigenkapital mit Hilfe eines Bausparvertrags gebildet – gut jeder Fünfte darunter hat die Wohnungsbauprämie erhalten und mehr als jeder Achte die Arbeitnehmersparzulage.

Vor dem Hintergrund, dass Neubau aufgrund der hohen Baukosten – nicht zuletzt durch die ambitionierten energetischen Standards – immer seltener eine Option ist, sollte dies klar sein: Wer Familien beim Eigentumserwerb unterstützen will, kommt kurzfristig an einer Förderung des Bestandserwerbs nicht vorbei – und sollte langfristig auf die Anreizwirkung einer verbesserten Sparförderung setzen. Luft nach oben ist hier allemal.

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